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Protagoras (Platon)

Der Protagoras (altgriechisch Πρωταγόρας Prōtagóras) ist ein in Dialogform verfasstes Werk des griechischen Philosophen Platon. Wiedergegeben wird ein fiktives Gespräch von Platons Lehrer Sokrates mit dem Sophisten Protagoras, der als Lehrmeister nach Athen gekommen ist. Protagoras behauptet, die Fähigkeit zu erfolgreichem Auftreten vermitteln zu können. Nebenfiguren des Dialogs sind der reiche Kallias als Gastgeber des Protagoras, der Sophist Hippias von Elis, der Rhetoriklehrer Prodikos von Keos, die vornehmen, später als Politiker einflussreichen Athener Alkibiades und Kritias sowie ein junger Bekannter des Sokrates namens Hippokrates. Die Diskussion dreht sich vor allem um Kernthemen der platonischen Ethik: die Handlungstheorie und die Frage, ob die aretḗ (Vortrefflichkeit, Tüchtigkeit, Tugend) ein lehrbares Wissen ist.

Der Dialog ist in eine Rahmenhandlung eingebettet: Sokrates erzählt, wie er Protagoras aufgesucht und in ein Streitgespräch verwickelt hat. Den Anlass und Hintergrund bildete die Absicht des Hippokrates, ein zahlender Schüler des Sophisten zu werden. Davon hielt Sokrates nichts. Als scharfer Gegner der Sophistik versuchte er in der Debatte die Faszination, die vom Ruhm des Protagoras ausging, zu zerstören. Damit wollte er den zuhörenden Hippokrates von seinem Vorhaben abbringen.

Vor einer großen Schar von Zuhörern erläuterte Protagoras den Sinn und das Ziel des sophistischen Unterrichts: Man werde dadurch allgemein ein besserer Mensch und erlange insbesondere politische Durchsetzungsfähigkeit. Der Behauptung, sophistische Schulung bringe tugendhafte Menschen und tüchtige Staatsbürger hervor, trat Sokrates mit dem Argument entgegen, in der Praxis gebe es in Athen keinen erfolgreichen Unterricht solcher Art. Außerdem stritten die beiden Kontrahenten über die Frage, ob die verschiedenen Tugenden eigenständige Qualitäten sind, die separat auftreten können, oder nur Aspekte eines einheitlichen Phänomens Tugend, das als Ganzheit vorhanden ist oder fehlt.

Ein Hauptanliegen des Sokrates war die Darlegung und Begründung seiner Handlungstheorie. Er überzeugte die Anwesenden von seiner These, ausnahmslos alle menschlichen Handlungen seien vom Streben nach etwas Gutem geleitet. Niemand wolle Schlechtes bewirken. Daher gebe es kein vorsätzlich unrechtes Verhalten, sondern nur irregeleitete gute Absichten. Das ethisch Verwerfliche sei immer auf Unwissenheit zurückzuführen.

Der Protagoras zählt zu Platons frühen Schriften und gilt als literarisches Meisterwerk. Im neueren philosophischen Diskurs findet besonders die Problematik der im Dialog grundsätzlich bestrittenen „Willensschwäche“ (akrasía) viel Beachtung. Dabei geht es um ein Handeln gegen ein Urteil des Handelnden, dem zufolge ein anderes Verhalten möglich ist und besser wäre. Untersucht wird die Problematik einer Entscheidung, bei der man das Ergebnis eigener Überlegungen missachtet, obwohl man annimmt, dass dies zu überwiegend schädlichen Konsequenzen führen wird.